Eine Friedenskirche setzt sich in Simbabwe für Sozialdienste, für friedliche Konfliktlösungen und für Versöhnung ein. Der Trend zur Militarisierung macht ihr große Sorge – auch in Simbabwe selbst.
Das Interview mit Danisa Ndlovu ist erst auf der Website von welt-sichten erschienen.
Sie waren bis 2014 für 15 Jahre Bischof der Brethren in Christ Church (BICC) in Simbabwe. Die bildet dort eine Minderheit unter den Christen, oder?
Ja, wir sind eine Minderheit, aber die BICC ist keine ganz kleine Kirche. Sie hat eine lange Geschichte, sie wurde schon 1898 gegründet. Zu uns gehören über 300 Gemeinden im ganzen Land mit insgesamt ungefähr 50.000 Mitgliedern – genau kann man das nicht sagen, weil wegen der großen Wirtschaftsprobleme in den vergangenen Jahren viele Menschen Simbabwe verlassen haben. Wir unterhalten eine Reihe von Grundschulen und weiterführenden Schulen, außerdem zwei Krankenhäuser und Zentren für medizinische Grundversorgung. Wir haben auch Farmen, die zurzeit allerdings nicht so viel produzieren, wie wir uns wünschen.
Wo sehen Sie für die schwierige Wirtschaftslage die Ursachen?
Sie hat verschiedene Ursachen, aber große Probleme sind schlechte Regierungsführung sowie Korruption. Hinzu kommt, dass wir seit mehreren Jahren unter Dürre leiden. Dieses Jahr ist das besonders schlimm, einige Townships in Bulawayo mussten bis zu sechs Wochen ohne Wasser auskommen.
Schulen und Krankenhäuser zu betreiben, sollte eine Aufgabe des Staates sein. Unterstützt der die soziale Arbeit der Kirchen?
Sagen wir, in gewissem Maße. Sie haben Recht, dass es eine staatliche Aufgabe ist, Schulen und Krankenhäuser zu unterhalten. Aber richtig ist auch, dass in vielen Gebieten Afrikas historisch die Kirchen Schulen eingeführt haben. Ihre Beteiligung an diesen Sozialdiensten war Teil der nationalen Entwicklung. Schulen und Krankenhäuser haben wir immer auch als Wege gesehen, mit der Bibel auf Menschen zuzugehen. Heute hilft der Staat in Simbabwe insofern dabei, als er den größten Teil der Gehälter für die Lehrkräfte bezahlt und auch die von Ärzten und des Pflegepersonals. Aber die Gehälter sind zu niedrig. Um Ärzte zu finden, die in unseren Hospitälern arbeiten, müssen wir oft zusätzliche Anreize schaffen.
Die BCC gehört zu den Friedenskirchen, die der Gewaltfreiheit verpflichtet sind. Engagieren Sie sich für Friedensförderung und Versöhnung in Simbabwe?
Ja. Richtig, wir sind eine Friedenskirche, Frieden gehört zu unseren zentralen Werten. September ist unser Friedensmonat, dann beziehen sich die Botschaften im Gottesdienst und der Unterricht in den Sonntagsschulen den ganzen Monat lang auf Friedensthemen. Wir halten dazu außerdem Workshops ab – nicht nur für unsere Mitglieder, sondern für alle in der jeweiligen Ortsgemeinde. Und wir sind dabei, in unseren Schulen Friedensklubs einzurichten. Wir haben einige große Internatsschulen mit um 800 Schülerinnen und Schülern und möchten die Gesellschaft beeinflussen, indem wir diesen jungen Leuten helfen, Friedensbotschafter zu werden. Sie können so in anderen Institutionen Friedensclubs bilden und die Friedensbotschaft weitergeben.
Welche Arten Konflikte gehen Sie in den Ortsgemeinden an?
Ganz verschiedene. Schon der wirtschaftliche Niedergang erzeugt Konflikte, auch in Familien. Einige können zum Beispiel die Schulgebühren nicht mehr zahlen. Auch die Zahl der Ehescheidungen ist gestiegen; allein in Bulawayo haben wir es zurzeit mit über tausend Fällen zu tun. Das liegt nicht nur an Untreue, sondern auch an der Wirtschaftskrise. Weitere Probleme schafft der Missbrauch von Drogen – nicht nur unter jungen Leuten. All das beeinträchtigt den Lebensunterhalt von vielen Menschen.
Befassen Sie sich auch mit Lasten aus vergangener politischer Gewalt?
Sie denken sicher an den Völkermord an den Ndebele in Matabeleland in den frühen 1980er Jahren; das Gebiet wurde immer als Hochburg der Opposition wahrgenommen. Ja, das ist ein großes Thema. Manche in Simbabwe sagen, dass die heutigen Schwierigkeiten in dieser Region auf die Ereignisse der frühen 1980er Jahre zurückgehen und darauf, dass es keine Gelegenheit gab, Angehörige, die umgebracht worden waren, offen zu betrauern. Die Regierung hat noch immer nicht begonnen, die Chance zu eröffnen, dass man darüber spricht – mit einer Ausnahme: Zuletzt hat sie eine Initiative gestartet, dass Chiefs, also traditionelle Würdenträger, Bemühungen um Versöhnung vorantreiben sollen. Wir sind aber nicht sicher, dass das nachhaltig ist, die Idee ist gewissermaßen nicht ausgegoren.
Ihre Kirche stellt da einen Raum für Erinnerung und Versöhnung bereit?
Ja, unsere Kirche tut das. Aber man muss sich bewusst machen, dass Versöhnung bedeutet: Man bringt Opfer und Täter zusammen, so dass sie sich auseinandersetzen. Passiert das nicht, dann kümmert man sich einfach um individuelle Opfer. Im Fall der Massaker in den 1980er Jahren wird die Regierung als Täter angesehen, aber sie hat bisher nicht anerkannt, dass sie der Täter ist. Deshalb kann man eigentlich nicht sagen, dass wir es schon mit Versöhnung zu tun haben.
Sie waren lange Präsident der Weltkonferenz der Mennoniten und kommen von der Konferenz in Litauen über „Living With Fragile Identities“, die unter anderen das Mennonitische Friedenszentrum Berlin ausgerichtet hat. Wie diskutieren die Friedenskirchen die jüngste Zunahme der Kriege und den Trend zur Aufrüstung?
Natürlich diskutieren wir das und verfolgen die Nachrichten darüber, was in der Ukraine und in Gaza passiert. Das macht uns in unseren Kirchen große Sorge. Ich muss aber betonen, dass wir genauso wie andere nicht einig sind, welche Seite dort Recht hat und wer nicht. Zum Beispiel unterstützt die Regierung meines Landes aufgrund der Geschichte des Befreiungskampfes in Simbabwe jetzt Russland, aber es gibt Leute im Land, die Russland als Angreifer ansehen mögen. Und Gaza/Israel ist natürlich ein heißes Eisen für viele Christen, sie sind da auch aus Gründen der Theologie uneinig.
Abgesehen von strittigen Fragen, wer welche Verantwortung für bestimmte Kriegshandlungen trägt: Machen diese Kriege und die Aufrüstung auf allen Seiten den Einsatz der Friedenskirchen für Gewaltfreiheit und Militärkritik schwieriger?
Ja. In Simbabwe erleben wir zurzeit die Militarisierung des Staates. Zum Beispiel kommen Leute in hohe Ämter, weil sie vorher Posten im Militär hatten. Also die Militarisierung macht uns in unserer Kirche zu Hause Sorge und wir fragen uns: Was können wir in dieser Lage tun? Ich selbst denke, Dialog ist immer besser, um Konflikte ohne militärische Gewalt zu lösen.
Im Baltikum fühlen sich viele von Russland direkt bedroht. Haben die Friedenskirchen dort versucht, andere Wege aufzuzeigen als Aufrüstung, um sich gegen Russland zu verteidigen?
Das ist eine sehr große Aufgabe. Wir haben dazu keine gemeinsame Position als Weltkonferenz der Mennoniten, sondern jede Konfession und Mitgliedskonferenz trifft ihre eigenen Entscheidungen. Zum Krieg in Gaza haben wir uns allerdings als MWC in einem Brief an alle unsere Mitglieder geäußert. Darin versuchen wir zu erklären, was es heißt, so einen Krieg aus christlicher Perspektive zu betrachten und die Haltung beider Seiten zur Kenntnis zu nehmen.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
Danisa Ndlovu ist Geistlicher und war bis 2014 Bischof der Brethren in Christ Church (BICC) in Simbabwe, einer Freikirche in der Tradition der Täufer. Ndlovu war bis 2015 Präsident der Weltkonferenz der Mennoniten und ist heute ihr Regionalvertreter im Südlichen Afrika.