„Wann ist Dir das erste Mal bewusst geworden, dass Du weiß bist?“ Was für eine blöde Frage? Ich finde nicht. Ich finde sie sogar ausgesprochen gut: In den 1980er Jahren wurde in West-Berlin eine Umfrage gestartet mit folgendem Wortlaut: „Wann ist Ihnen das erste Mal bewusst geworden, dass Sie heterosexuell sind?“ Die irritierten Gesichter sprachen Bände … – was das sollte? Es sollte u.a. die Absurdität von unüberlegten bzw. übergriffigen Fragen aufgedeckt werden.

Nicht die „Betroffenen“ können diskriminierende Verhaltensweisen ändern, sondern die, die nicht in einer diskriminierten Situation leben. Und deshalb erlebe ich die Frage „wann ist Dir das erste Mal bewusst geworden, dass Du weiß bist?“ als hilfreich. Und schon lande ich in meiner Kindheit:

In meiner „Puppenphase“ befand sich in meiner Kinderschar auch eine Puppe, die farbig war – das hieß in den 1960er Jahren schlicht und einfach „Negerpuppe“. Als ich sie zum ersten Mal mit in den Kindergarten schleppte, erntete ich Spott und Hohn (z.B. „hast Du die schwarz angepinselt?“ oder „ist Dir die in den Kamin gefallen?“) – ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es Kinder oder die Kindergärtnerinnen waren. Ab da passte ich ganz besonders auf sie auf… Bei allem kindlichen Beschützer*inneninstinkt: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob diese Puppe einen Namen hatte oder ob die Farbe ihr „Alleinstellungsmerkmal“ war – und sie über den Unterschied zu den anderen klassifiziert wurde.

Am Ende jedes Kindergottesdienstes mussten wir am Ausgang an einem „nickenden Neger“ vorbei: Der nickte immer, wenn die Kinder ihre Kollektengroschen in den dafür vorgesehenen Schlitz hineinwarfen. Das Geld war bestimmt für die Mission unter den armen „Negerkindern“…

Held meiner Kindertage war Cassius Clay, der berühmte Boxer. Als er sich in „Muhammad Ali“ umbenannte, erklärte mir mein Vater, warum er das getan hatte. Ich fand es ganz schön ungerecht, wie die Erwachsenen da mit ihm umgegangen waren, obwohl er doch der beste Boxer aller Zeiten war. Wen interessiert denn da die Hautfarbe???

Drei Beispiele von vielen, die mir deutlich machen, wie vielschichtig die Konfrontation mit vermeintlichem „Anderssein“ wegen verschiedener Hautfarben waren. Ganz zu schweigen von den „Indianerkostümen“ meiner Kindheit zu Karneval den „Negerküssen“ und … und … und …

Und wann ist dem/der werten Leser*in zum ersten Mal bewusst geworden, dass er/sie weiß ist?