Simbabwe Besuch
Besuch aus Simbabwe – wie die Politik in Begegnungen hineingreift
Pfarrer Notsen Ncube kam an einem Novembermorgen in Berlin-Tegel an. Es war viel zu warm für die Jahreszeit, Notsen kam aus 40 Grad Celsius… Das blieb an diesem Tag nicht der einzige Unterschied: In einer kleinen Runde sollte ein gemeinsames Abendessen erste Begegnungen schaffen. Zur Feier des Tages wurden Kerzen auf den Tisch gestellt und angezündet. Notsen fragt, ob es bei uns öfter Stromausfall gäbe. Allgemeine Verwunderung – ich erinnere mich: In Bulawayo kann mensch fast die Uhr stellen nach dem regelmäßigen Stromausfall, der – mal nachts, mal morgens, mal nachmittags beginnend – das Bereitstellen von Kerzen und Streichhölzern in jedem Raum notwendig macht. Könnte eine Methode des Stromsparens sein – oder eine perfide Einnahmequelle für Mugabe und seine Schergen: Die ausgestellten Rechnungen der staatlichen Strombetreiber sind enorm, Klagen dagegen oft aussichtslos.
Mit am Tisch saß eine Kriminalbeamtin, die ich gebeten hatte, ihren Beruf nicht preiszugeben. Als Notsen und ich am folgenden Tag am Bundestag standen, sah er die Wachpolizei und fragte, ob dies das deutsche Militär sei. Nachdem ich ihm die drei Säulen Jurisdiktion, Legislative und Exekutive erläutert hatte, erzählte ich ihm , dass die nette Frau vom vergangenen Abend Kriminalbeamtin sei. Er wurde ein wenig fahl im Gesicht und rief aus: „Bei uns sagt man in diesem Fall, man habe mit einer Schlange zu Tisch gesessen!“ Dies beschäftigte ihn den ganzen Tag (am letzten Tag in Berlin bat er mich, seine herzlichsten Grüße an die Kriminalbeamtin zu übermitteln…).
Als wir die Dauerausstellung „Wege. Irrwege. Umwege – Die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland“ besuchten, stellten wir sowohl Parallelen zwischen Hitler-Deutschland und Mugabe-Simbabwe als auch zwischen der DDR und Simbabwe fest. Die gewaltfreie Revolution in der DDR, die letztendlich zum Mauerfall führte, wäre eine politische Vision für Simbabwes Zukunft. Wer aber meint, dass es reicht, ökumenische Organisationen, die sich um Versöhnung bemühen, und Hilfsprojekte, die den Menschen in Matabeleland wenigstens eine medizinische Minimalversorgung ermöglicht, den muss ich enttäuschen: Gerne wird Horst Sindermann, damals Vorsitzender des DDR-Ministerrates, im Zusammenhang mit dem Stichwort „gewaltfreie Revolution“ zitiert:“ Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten. Sie haben uns wehrlos gemacht“.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass die damalige internationale politische Lage ein ebenso wichtiger Faktor war: Ohne Gorbatschows Politik zum Beispiel wären die Umsturzbewegungen im gesamten damaligen „Ostblock“ nicht möglich gewesen. Angesichts notwendiger Reformen stellte sich für die Sowjetunion und ihre Satelliten die Frage nach ihrer Existenzfähigkeit und Überlebensmöglichkeit. 1989 zeigte sich die Wettbewerbsunfähigkeit der gestürzten Regime und der Unabhängigkeitswille der beherrschten Völker.
Eine gewaltfreie Revolution in Simbabwe zur Ablösung des Mugabe-Regimes hat derzeit sehr viel schlechtere Chancen als die Bevölkerungen im Ostblock im entscheidenden Jahr 1989: Solange es Mugabe gelingt, die unerträgliche Situation seines Landes von der Agenda der Afrikanischen Union (AU) abzusetzen (so geschehen Anfang Januar nach einem Gespräch mit dem derzeitigen Vorsitzenden, dem Präsidenten von Äquatorial-Guinea, nachdem Mugabe einen Vertrag unterzeichnet hat, dass sein Land Öl aus Äquatorial-Guinea importieren wird), solange sich der Widerstand in Mugabes Partei Zanu/PF gegen seine Pläne, trotz schwacher Gesundheit und hohen Alters (bald 88) erneut zu kandidieren, nicht energischer regt als derzeit, solange sich die Durchführung der Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegenüber Mugabe und seinen Schergen als nachlässig anlässt, solange stehen auch die Chancen für einen friedlichen Wandel im Land schlecht. Von daher soll die Unterstützung unserer Geschwister in Simbabwe auch eine politische sein:
Ein positives Beispiel aus dem Jahre 2008: Auf massivem politischen Druck stellte eine Münchener Druckerei die Lieferung der Druckbögen für das Superinflationsgeld, mit dem Mugabe seine Schergen bezahlte, ein. Auch die Bundesregierung soll befragt werden, wie sie es denn mit dem Mugabe-Regime hält. Die angeregten Gespräche Notsen Ncubes mit Dr. Volker Faigle (theologischer Referent der EKD am Sitz der Bundesregierung) waren ein erster Schritt.
Naiv gedacht? Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „ Nach und nach baut der Vogel sein Nest“.