Wieder mal einer der Tage, an dem ich irgendwie nicht in die Gänge komme: Die Sonne scheint zwar, mein Hund schenkte mir heute morgen einen Spaziergang über 80 Minuten (Mylady wird mit dem Alter zum tierischen Couchpotato – obwohl sie da gar nicht drauf darf…), aber Kreativität und Spannkraft fühlen sich irgendwie anders an. Ich müsste schon längst mal wieder einen Blogbeitrag geschrieben haben … Ich schaue in meine heute morgen gemachten Fotos – und stolpere über das mit dem Fahrrad. Ist ja auch nicht mehr das Dynamischste: Halb versunken im Gras, wohl eher nicht verkehrstüchtig, Platten hinten, Beleuchtung fehlt. Entspricht ein bisschen meinem „Tagesblues“… Na gut, einen Versuch gebe ich mir noch und lass die Suchmaschine etwas zu “ Zitate Fahrrad“ finden. Und stoße auf zwei Männer:

Heinz Stücke bereiste 58 Jahre lang 196 Länder – also die Welt – mit seinem Rad, davon 37 Jahre lang immer mit dem selben Drei-Gang-Rad. Das finde ich total bewundernswert, aber unerreichbar für mich. Außerdem lässt mich diese Lebensgeschichte eher innerlich kleinwerden, als dass sie auch nur irgendwie meinem „Covid-19-Home-Office-Blues“ zu Leibe rücken könnte. Also weiter scrollen – und dann finde ich die Geschichte von Scott Stoll: Innerhalb einer Woche verlor er seinen Job, seinen besten Freund – und zur „Krönung“ verließ ihn auch noch seine Freundin. Desillusioniert, voller Angst, eine verlorene und rastlose Seele, die nichts zu verlieren hatte, fragte Scott sich: „Ich habe nur ein Leben – und vielleicht nur noch eine Chance. Und ich stelle mir einfach vor, ich könnte alles tun – was wäre das?“ Um es kurz zu machen: Scott bereiste 6 Kontinente, 59 Länder in vier Jahren – mit dem Fahrrad. „Okay“, dachte ich, wieder so ein bewundernswerter Freak, dem ich innerlich Beifall zollen und dann wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Aber dann las ich folgendes Zitat von ihm:

„Eine Radfahrt um die Welt beginnt mit dem ersten Tritt aufs Pedal.“

„Was für eine Binsenweisheit“, war mein erster Gedanke, “ wenn ich nicht aufs Rad steige, kann es auch nicht losgehen, ist doch logisch, oder?!?“

Es klingelt – der nette Mensch vom Paketdienst bringt mir meine fehlenden Hantelscheiben. Ich packe sie voller Vorfreude aus – und halte inne: Vor sechs Monaten habe ich nach langen Pausierungsjahren wieder angefangen mit dem Hanteltraining. Mit kleinen Gewichten und schockierendem Muskelkater. Jetzt hat sich das Anfangsgewicht der Hanteln bei einigen Übungen verdoppelt – vor 6 Monaten hätte ich mir wahrscheinlich so was wie einen Bruch gehoben an den aktuellen Kiloscheiben. Und endlich kommt sie, die Befreiung aus dem „Tagesblues“ und ich sage mir:“ Wenn Du im letzten Juni nicht einfach angefangen hättest, wärst Du immer noch so ’ne schlappe Endfünfzigerin, die ihrem dereinstigen Elan hinterhertrauert. Also hör‘ auf zu jaulen, wenn Deine körpereigenen Rettungsringe immer noch nicht den Muskeln gewichen sind – da musst Du wohl noch ein bisschen länger für in die Pedalen treten. Ähm, ich meine: die Gewichte stemmen. Aber ohne den Anfang wärst Du immer noch träge, schlapp und nur unter Geächze in der Lage, einen Kasten Bier vom Auto in den Keller zu tragen…“ Ich gehe zurück zum Schreibtisch und starte erst mal mit dem Bearbeiten der sich in der Zwischenzeit wieder zahlreich angesammelten E-mails. Geht doch…

Manchmal ist es aber auch gar nicht so einfach, sich aus der Jammerecke zu befreien.