„Sag mir, wo die Blumen sind“ sang dereinst Marlene Dietrich. Schon immer klang die Zeile „Wann wird man je verstehen?“ aus dem Refrain in mir nach. Gestern wieder: Seit Jahren berichten Nichtregierungsorganisationen (darunter auch das DMFK und das MFB) von den unhaltbaren Zuständen in dem Auffanglager für geflohene Menschen auf Lesbos: „Moria“ wurde zum Synonym verfehlter bzw. nicht vorhandener europäischer Asylpolitik. Als ich mich 2018 an diesem Schreckensort aufhielt, waren es schätzungsweise 10.000 Menschen in und um ein mit Stacheldraht umzäuntes Gebiet, das für ca. 2800 Menschen konzipiert war. Gestern wurden 13.000 Menschen auch noch ihres letzten Hab und Guts durch die Flammen beraubt: Moria ist niedergebrannt, 13.000 Menschen stehen buchstäblich vor dem Nichts. Die Diskussion um die Zukunft dieser Menschen ist im Gange – halt, stimmt nicht: Auf einigen Ebenen geht es um Taktik und strategische Überlegungen. Da wird aus dem deutschen Innenministerium auf die Angebote einiger Bundesländer, eine Anzahl von Menschen schnell und unbürokratisch aufzunehmen, entgegnet: Ein „deutscher Alleingang“ verhindere eine europäische Lösung. Ja, zum Kuckuck, was haben diese Menschen, die nichts mehr haben, denen der Zugang zu Dörfern und der Inselhauptstadt Mytilini verwehrt wird, von einer „europäischen Lösung“, die erfahrungsgemäß erst zu Pflaumenpfingsten präsentiert werden kann ??!?

Die EU hat dereinst den Friedensnobelpreis erhalten – für was? Dafür, dass Solidarität und Gerechtigkeit mit Füßen getreten werden? Die europäischen Dublin-Vereinbarungen (Stichwort „Dublin III“) sind unzureichend und ungerecht – aber immerhin steht darin auch, dass die EU-„Außenstaaten“ (also die, über die die meisten Geflüchteten europäischen Boden betreten), Brüssel um Hilfe bitten sollen, wenn es das Land überfordert. Die Souveränität der einzelnen Staaten wird hochgehalten – genauso aber auch falsch verstandener Stolz: Offiziell hat Griechenland nie um Unterstützung gebeten, und damit war Brüssel auch die Hände gebunden. Stattdessen werden die Menschen nach Norden durchgewunken – oder in Lager zusammengepfercht, bis es dann zu einer Katastrophe mit Ansage kommt wie die gestern in Moria. Die türkische Regierung wiederum wittert nun ihre Chance, noch mehr Geld aus der EU zu pressen. Und die AfD (in Person von Frau Weidel) zeigt sogleich ihre menschenrechtsfeindliche Fratze. Ich könnte nun unendlich weiterschreiben und jeden Blickwinkel unterschiedlicher Ansichten und Verhalten beleuchten. Aber ich lasse es – dieses Gezerre und Gezanke auf Kosten von schutzlosen Menschen widert mich an.

Mein Traum von Europa bröckelt und bröckelt und bröckelt und ich drohe zu resignieren – ein Videoclip des Kabarettisten Hagen Rether hat mich gestern wieder aus dem Loch gezogen: In diesem Clip von einem Auftritt in der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“ droht auch er zu resignieren angesichts der unendlich vielen Probleme, Bedrohungen und Katastrophen auf dieser Welt. Dann weist er auf die Holocaust-Überlebenden, die seit Jahrzehnten den mittlerweile UrenkelInnen der Täter in den Schulen erzählen, was damals passiert ist. Und er kommt zum Schluss: „Wenn die den Glauben an diese Gesellschaft noch nicht verloren haben – wer bin ich, dass ich resigniere?“

Also: Hintern hoch, Zähne zusammen – und weiter für die Menschenwürde kämpfen! Und meine dann und wann hochkommende Verzweiflung vertrauensvoll in die Hände Gottes legen.