Manche Menschen haben ihren Glauben an ihre Gattung noch nicht verloren: Sie träumen davon, dass die Überlebenden der Pandemie geläutert aus selbiger hervorgehen. Sie träumen von einem dann bestehenden Wirtschaftssystem mit „menschlichem Antlitz“, von Solidarität zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten – die es dann ja eigentlich nicht mehr geben würde – oder von noch anderen wunderbaren Utopien. Ja, das wäre schön – und mensch könnte damit der Pandemie so etwas wie einen „tieferen Sinn“ abgewinnen.

Um ehrlich zu sein: Ich gebe einem plötzlich hereinbrechenden „Paradies auf Erden“ nur ganz minimale Chancen. Das ist nicht die erste Pandemie – und wir müssen nicht bis ins Mittelalter mit seinen Pest-Schrecken zurückgehen: Die sogenannte „Spanische Grippe“ forderte weltweit Milionen Tote. Das Leben ging irgendwann weiter – ohne große Läuterung: 19 Jahre nach Ende der Pandemie stand die Welt durch den Zweiten Weltkrieg buchstäblich in Flammen.

Gibt es ihn also gar nicht – den „homo discens“, den „lernenden Menschen“?

Für den Pädagogikprofessor Werner Loch ist der Mensch „zur sinnvollen Entwicklung seiner Anlagen notwendig auf Erziehung angewiesen“ (1979). Okay, macht aber aus einem grobmotorisch veranlagten Menschen noch keine/n Fußballnationalspieler/in… Das möchte ich jetzt nicht weiter vertiefen, aber abschließend bemerken:

Lasst Euch Eure Utopien nicht nehmen, aber seid nicht enttäuscht und entmutigt, wenn sie nach Ende der Pandemie nicht automatisch eintreten – arbeitet daran, dass wir uns ihnen Stück für Stück annähern! Dann braucht es auch keine Sinnsuche in Pandemien.

Ich halte es da mit dem Theologen Hans-Joachim Kraus, der sinngemäß einmal über das Reich Gottes sagte:

Gottes Reich begrenzt, relativiert und kritisiert laut der Bibel alle menschliche Machtausübung und alle irdischen Herrschaftssysteme als ihre endgültige Zukunft.