Die Polarisierung unserer Gesellschaft ist in aller Munde. Auch ich betrachte dies mit großer Sorge an und sehe eine Aufgabe der Kirche(n) darin, dass sie Vermittlungsrollen in dieser Situation zu übernehmen hat(haben) – als ein zivilgesellschaftlicher Akteur. Das ist die „Außenperspektive“. Wenn ich „nach innen“ schaue, finde ich sie auch, die große Gefahr der Polarisierung: Ich möchte nicht, dass wir unter „uns Kirchen“ dabei stehenbleiben, die unterschiedlichen Blickwinkel zu konstatieren und die Unterschiede zu bemängeln, zu beklagen oder gar gegeneinander auszuspielen. Ich wünschte mir, dass wir „unter uns“ unsere jeweiligen Stärken für alle nutzten. Das wäre ein starker Weg, um zu zeigen, dass Vielfalt der Blickwinkel keinesfalls Spaltungen und Polarisierungen mit sich ziehen müssen. Mit Hartnäckigkeit und Geduld hat der freikirchliche Beauftragte am Sitz der Bundesregierung, Pastor Peter Jörgensen, diesen Weg in seiner Arbeit in Berlin eingeschlagen – die Früchte sind deutlich zu spüren.

Hier im „politischen Berlin“ gibt es viele Interessensverbände von A wie „Autoindustrie“ bis Z wie „Zahnärztliche Kammer“ – sie fallen unter den Sammelbegriff „Lobbyisten“. Betrachte ich die gesellschaftliche Verantwortung der Kirchen, möchte ich einen Unterschied zwischen den Begriffen „Lobbyismus“ und „Advocacy“ (in der Politikwissenschaft sperrig übersetzt mit „themenanwaltschaftliche Interessensvertretung“)  machen: Der Begriff „Advocacy“ beinhaltet, dass nicht ausschließlich die eigenen Interessen vertreten werden. Es gibt einen fließenden Übergang zum Begriff des „Lobbyismus“, dennoch möchte ich einen inhaltlichen Unterschied sehen zwischen z.B. Lobbyisten der Autoindustrie und einer kirchlichen Interessensvertretung – beim Stichwort „soziale Ungerechtigkeit“ wird bisweilen Menschen eine Stimme verliehen, ohne dass sie „(frei)kirchliches Klientel“ sind.

Hellhörig werde ich, wenn Menschen oder gar kompletten Kirchengemeinden von sich sagen, sie seien „unpolitisch“. Das geht gar nicht, weil diese Aussage – überspitzt gesprochen – bereits eine politische Aussage ist. Denn wenn die Kirche(n) das Heil des von Gott geliebten Menschen verkündigt/verkündigen, kann ihr/ihnen sein Wohl nicht gleichgültig sein (Walter Kreck). Es gibt sie: die Situationen, in denen nicht nur der einzelne Christ/die einzelne Christin, sondern auch die Kirche(n) bzw. eine Gemeinde ein Wort zu aktuellen politischen und sozialen Problemen zu sprechen hat/haben. Wir müssen nicht zu allem und jedem reden, aber sollen unsere „Anwaltschaft“ für diejenigen, die keine Stimme haben, nicht darniederliegen lassen.

Formuliert hat dies die Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden klar und deutlich in ihrer Friedenserklärung aus dem Jahr 2009: „„Wir sind Teil eines Staates und seiner Institutionen, partizipieren an ihm und übernehmen Verantwortung in ihm. Wir anerkennen die wichtige Aufgabe des Staates im Schutz der Schwachen und in der Erhaltung der Rechtsordnung, zu der auch der Schutz der Menschenrechte gehört, wie die Sicherstellung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung oder das Recht auf freie Meinungsäußerung. Staatliche Institutionen und Rechtsordnungen dürfen nicht absolut gesetzt werden. Zu Auftrag und Verantwortung der Kirche Jesu Christi gehört es, Einspruch zu erheben, wo Unrecht geschieht, für Gerechtigkeit einzutreten und Wege der gewaltfreien Konfliktlösung mit zu entwickeln. Eine klare und eindeutige Trennung von Kirche bzw. Religion und Staat ist unabdingbar, damit die Kirche ihre ethisch orientierende Kraft im Staat solidarisch und kritisch wahrnehmen kann.“

Wie die Umsetzung im eigenen Umfeld aussehen kann? Was Gemeinden dazu beitragen können? Gerne lässt sich das MFB zu diesen Fragestellungen ansprechen und einladen