Am Freitag wird das Friedensinstitut an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg feierlich eröffnet – eine gute Gelegenheit, als zukünftiges Beiratsmitglied dieses Instituts über „den Frieden“ nachzudenken (unter Verwendung von Gedanken aus Paul Lederachs Buch „Moral Imagination: The Art and Soul of Peacebuilding“):
In der Friedensforschung und in der Friedensarbeit – besser im Englischen: peacebuilding ( „Frieden bauen“) und „peacemaking“(„Frieden machen“) geht es um die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen, das in den Herausforderungen der Realität wurzelt, und dabei gleichzeitig „GeburtshelferIn“ für etwas zu sein, was noch nicht existiert.
Es geht um Spinnennetze: Es kann nie um lineare Prozesse gehen. Immer geht es um die Beachtung der unterschiedlichen Dependenzen in Beziehungen und Strukturen, um das Verstehen unterschiedlicher sozialer Gefüge. Immer geht es um Beobachtung und Wahrnehmung dieser unterschiedlichen Dependenzen. Immer geht es um Kreativität der Blickwinkel, um kreative Verknüpfung unterschiedlicher Fäden im Netz. Und oft geht es um die elegante Schönheit der Einfachheit – das hat mich mein Jahrzehnt der Zusammenarbeit mit friedenskirchlichen VertreterInnen in Simbabwe und die Arbeit in sogenannten sozialen Brennpunkten gelehrt. Nicht zu vergessen sei eine Prise konstruktiven Pessimismus: Ein Realitätscheck und die Vermeidung falscher Hoffnungen bewahren bisweilen davor, das „Friedensnetz“ gefährlichen Zerreißproben auszusetzen. Und es geht bei aller Notwendigkeit von Werkzeugen, die Friedensprozesse unterstützen sollen, um Sauerteig: Um das Phänomen der richtigen Personen am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Stichwort „Zeit“: Die Geschichte lebt und bedarf Anerkennung und Aufmerksamkeit. Kein Konflikt fällt einfach so vom Himmel – ohne Bezug zur Vergangenheit. Geschichte beachten und Geschichten zuhören sind wichtige Fäden im Netz. Frieden ist ein Prozess, der einer steten Kommunikation bedarf. Diese „ethische Kreativität“, wie John Paul Lederach es bezeichnet in seinem Meisterwerk „The Moral Imagination: The Art and Soul of Building Peace“, sollte der Motor sein. Eine Sache allerdings kann nicht gelehrt werden, sondern ist zu gegebener Zeit eine persönliche Entscheidung, die jeder und jede für sich selbst treffen muss. Dazu aus der Friedenserklärung der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden aus dem Jahre 2009: „Wir erkennen unsere Berufung als Friedenskirche und setzen uns deshalb ein für Konfliktprävention, Möglichkeiten gewaltfreier Intervention in Konflikten und für Versöhnung und Heilung nach gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wir sind uns bewusst, dass dieser Weg in letzter Konsequenz so weit gehen kann, das eigene Leben in Gefahr zu bringen“. Und schlussendlich: Wir alle sind in der Versuchung, Menschen dazu zu bringen, dass sie so denken, wie wir es tun. Die schwierige Arbeit des Friedenbauens ist aber, ein Netz der Beziehungen zwischen Menschen herzustellen, die unterschiedliche Blickwinkel haben.
Friedensforschung und Friedensarbeit sind also nicht zwei Seiten einer Medaille, sondern gehören untrennbar zusammen: Die Friedensforschung möge dazu interdisziplinär Strategien und Methoden entwickeln und beitragen, die den Prozess begleiten und die NetzbauerInnen ertüchtigen.
(aus dem Vortrag anlässlich der Eröffnung des Friedensinstituts der EFH Freiburg am 24. Januar 2020)