Och nöö – kaum habe ich ein bisschen innere Ruhe „zwischen den Jahren“ erlangt, da geht das mit dem Stress wieder los?!? Die Jahreslosung aus Psalm 34,15 jagt mich sozusagen los, den Frieden zu suchen. Unsympathische Wortwahl für einen existentiellen Auftrag! Eine andere Übersetzung bietet mir folgende Interpretation an: „Suche Frieden und gehe ihm nach“. Schon besser, aber klingt irgendwie nach „latschen“, vor allem mit dem harmonischen Strandweg-Foto auf der Postkarte. Wie denn nun? Also schnappe ich mir die „Biblia Hebraica Stuttgartensia“ samt „Gesenius“ (hebräisches Wörterbuch, ein Muss und Standard zu meinen Studienzeiten) und forsche selbst nach. Und ich finde:

  1. „Suche“ kann auch übersetzt werden mit „etwas zu erreichen suchen“, „sich ausbitten“, „verlangen“, „fordern“
  2. „Nachjagen“ kann auch übersetzt werden mit „hinter jemandem her sein“, „ihm eilig folgen“, „ihm eifrig folgen“

Okay, was mache ich daraus? Zunächst gehe ich noch mal ans Regal und ziehe das „Etymologische Wörterbuch des Deutschen“ raus und finde unter „Eifer“: „ernsthaftes Bemühen, leidenschaftliches Verfolgen eines Ziels“.

Langsam wird ein Schuh draus für mich – und dann wird aus der „Stressformel“ folgendes: „Suche den Frieden zu erreichen und bemühe Dich ernsthaft und leidenschaftlich um ihn“. A propos „Schuh“:

Manchmal brauche ich dazu Badelatschen, manchmal Wanderschuhe, manchmal Alltagsschuhe – und manchmal Riemchenschuhe: Wer ständig die Sieben-Meilen-Stiefel umschnallt und über Stock und Stein, Berg und Tal dem Frieden hinterherrast, übersieht die kleinen Pflänzchen, zertritt sie vielleicht gar in der Hast, überhört die leisen Töne im Vorbeirauschen und kann die zarte Brise im Jagdmodus gar nicht mitkriegen. Und das für mich Allerwichtigste: In Sieben-Meilen-Stiefeln gibt es kein Innehalten.

Wer einfach losrennt, kommt bisweilen nicht an.

Mein ernsthaftes und leidenschaftliches Bemühen um den Frieden möchte ich unter einen Text Dietrich Bonhoeffers stellen:

Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.  Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.  Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.  Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. in solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.  Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.  Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.